Sofortige Verschärfungen im Einwanderungsrecht
„Erst hat die Labour Regierung die Einwanderungspolitik Neuseelands so gelockert, dass Betrügereien und der Immigration minder qualifizierter Ausländer Tür und Tor geöffnet waren. Seit National die Wahlen gewonnen hat, schwingt das Pendel nun ganz stark in die Gegenrichtung und die Vorschriften werden gerade extrem verschärft“, erklärt der langjährige Einwanderungsberater Peter Hahn die momentane Entwicklung. Mit sofortiger Wirkung hat die Regierung am 7. April vor allem das Accredited Employer Work Visa und einige Resident Pathways verändert. Hintergrund ist unter anderem das Rekordhoch von 173.000 Migranten nach Neuseeland im Jahr 2023.
Veränderung des AEWV
In vielen kleinen Details wird nun das Accredited Employer Work Visa, kurz AEWV, beschnitten. „Unsere Immigration Ministerin Erica Stanford kann momentan gar keine großen Sprünge machen“, verteidigt ein Immigration Advisor diesen Schritt. Die vorherige Regierung hatte Millionen in das neue Immigration System gesteckt, welches in vielen Punkten gescheitert ist – nicht nur das System, sondern auch die Anwendung der Regularien. „Und die bereits investierten Gelder gingen ja nicht nur in Recherchearbeit im Vorfeld, unzählige Konsultationen, die eigentliche Entwicklung und die Schulung der Mitarbeiter. Auch das komplette IT-System wurde neu erstellt.
Eigentlich müsste man jetzt wieder von vorne anfangen, aber das wäre budgetär ein Wahnsinn und eine absolute Ressourcenverschwendung“, kritisiert Peter Hahn. „So wird nun an Ecken und Kanten gefeilt und letztendlich wird es noch komplizierter“, erklärt Peter Hahn mit einem Kopfschütteln. „Und vieles wird nun so abgeändert, wie es vor der großen Umstrukturierung durch Labour schon immer war“, sagt er rückblickend auf seine 30 Jahre im Einwanderungsgeschäft.
Kürzere Visa, Nachweis über Qualifikation, Berufserfahrung & Englischkenntnisse
Um eine Arbeitserlaubnis für Jobs auf niedrigem Niveau zu bekommen, also für sogenannte Level 4 und 5 Berufe, müssen Antragsteller ab sofort höhere Anforderungen erfüllen, wenn es um den Nachweis von relevanter Qualifikation für den Job gibt. Zudem muss der Bewerber nachweisen, dass er mindestens drei Jahre relevante Berufserfahrung in diesem Job besitzt. Auch ein Minimum-Standard an Englischkenntnissen muss nachgewiesen werden, um hier arbeiten zu können. Die Visadauer wird gleichzeitig von 5 auf maximal 3 Jahre verkürzt.
Doch auch auf der Arbeitgeberseite gibt es bei Level 4 und 5 Jobs Verschärfungen. Sie müssen bei der Arbeitnehmersuche nun beispielsweise länger inserieren. Zudem soll sichergestellt werden, dass sich kein Neuseeländer findet, der die Position übernehmen kann. Bevor Ausländer angestellt werden dürfen, wird eine Firma nun gezwungen, mit Work & Income, dem neuseeländischen Arbeitsamt, Kontakt aufzunehmen. Die Zahlen unterstützen diese Entscheidung. In 2023 kamen 22.000 neue Fälle von arbeitslosen Neuseeländer bei der Behörde hinzu, die unterstützende Zahlungen erhielten, während in demselben Zeitraum 52.000 neue Low-Skilled Migrants aus dem Ausland den Jobmarkt fluteten.
Missbrauch des bisherigen Systems & Gründe für Veränderung
Innerhalb des AEWV gibt es das sogenannte Job Check Verfahren. Mit der Einführung des Visums wurde dem Arbeitgeber die Entscheidungskompetenz übertragen. Er sollte einstufen, welche Qualifikation, Arbeitserfahrung und sonstige Erfahrung der Bewerber für eine Position mitbringen muss. „Leider gab es da viele schwarze Schafe“, weiß Peter Hahn.
„Die haben einfach bei allen drei Kategorien ‚keine‘ angekreuzt. Also keine Qualifikation erforderlich, keine Arbeitserfahrung und auch sonst keine Qualifikationen oder Erfahrungen nötig. Das Schlimme ist, solche Anträge wurden durch gewunken. Diese neuseeländischen Arbeitgeber bekamen sogenannte Job Token, mit denen sie dann entsprechende Leute aus dem Ausland anstellen konnten. Die Tokens haben sie dann für viel Geld auf dem indischen oder asiatischen Markt verkauft. Die Bewerber kamen ins Land und den Job gab es überhaupt nicht. Dann standen sie ohne Job und ohne Geld in Neuseeland, hatten aber das Bleiberecht durch ihr Visum“, berichtet der Einwanderungsberater von der Misere. Durch die neuen Minimalanforderungen an die englische Sprache, Nachweis von Qualifikationen und Berufserfahrung soll diesem Missbrauch des Systems und der Ausbeutung von Immigranten nun Einhalt geboten werden.
Level 4 und 5 Berufe
„Ganz wichtig ist es, zu verstehen, dass fast alle dieser Verschärfungen die meisten Deutschen gar nicht betreffen“, beruhigt Peter Hahn. Sobald ein Bewerber beispielsweise einen Bachelor Degree hat, sind diese Änderungen belanglos. Typische Jobs auf Level 4 oder 5 sind beispielsweise Arbeiter in einer Fabrik, im Sägewerk, administrative Berufe, wie Rezeptionist, Ticketverkäufer oder Statistiksachbearbeiter. „Die meisten unserer Kunden sind gut qualifiziert und finden dementsprechend gute Jobs auf Level 1 bis 3.
Deshalb bedeuten die neuen Verschärfungen auf Level 4 und 5 für die meisten Deutschen gar keinen Nachteil. Auch 99 % meiner Kunden werden in Zukunft keinen Englischtest für ein Work Visa machen müssen. Und selbst wenn, dann nur auf Level 4, das hat in meinen 30 Jahren nur ein Kunde nicht geschafft. Diese Angst kann man den Bewerbern deshalb nehmen. Ich habe auch bei allen Anträgen in den letzten Jahren schon immer nachgewiesen, welche Qualifikationen und Erfahrungen meine Kunden für den relevanten Job mitbringen. Bei uns ändert sich hier bei der Bearbeitung und Umsetzung der Anträge nur wenig.“
Veränderungen bei einigen Resident Pathways
Auch bei einigen Resident Pathways gab es Veränderungen. Bereits angekündigte Handwerksberufe, die auf die sogenannte Greenlist aufgenommen werden sollten, werden nun nicht mehr integriert. Dazu gehören beispielsweise Metall-Berufe wie Schweißer, Schlosser oder Autolackierer. Auch für Berufe im Bau- und Infrastrukturbereich gibt es Verschärfungen. „Besonders hart ist es für LKW- und Busfahrer“, weiß Peter Hahn. „Ab sofort haben sie keine Möglichkeit mehr, über ihr Arbeitsvisum später auch das Resident Visa zu bekommen. Das ist zwar bitter aber war in all den Jahren vor der Einführung des neuen Systems durch Labour auch immer schon so“, erklärt der Einwanderungsberater. Dafür wurden andere höherqualifizierte Berufe, wie Justizvollzugsbeamte, Flugzeugingenieure oder Maschinenbautechniker auf die Greenlist gesetzt. Sie können nun einen der Resident Pathways einschlagen.
„Ganz wichtig zu verstehen ist, dass wenn der eigene Beruf nicht auf der Greenlist steht, dies nicht automatisch bedeutet, dass die Person nicht einwandern kann. Das sind alles nur unterschiedliche Wege, welche den Prozess vereinfachen können!“
Folgen der Verschärfungen für alle Einwanderer
Auch wenn viele der strikteren Regeln nur Bewerber in der Job-Kategorie 4 und 5 betreffen, wird sich die allgemeine Stimmung sicherlich auf für einige der deutschsprachigen Interessenten bemerkbar machen. „Durch die Verschärfungen wird nun bei allen Anträgen wohl genauer hingesehen. Auch der Ermessensspielraum der Bearbeiter wird vermutlich geringer. Da zählt dann oft nicht mehr der gesunde Menschenverstand, wenn jemand beispielsweise 2 Jahre und 11 Monate Arbeitserfahrung mitbringt. Er muss dann trotzdem die 3 Jahre erfüllen. Das macht natürlich unter dem Strich keinen Sinn. Es ist ein Resultat des entstehenden Drucks, nach den neuen Richtlinien arbeiten zu müssen“, vermutet Peter Hahn.
Das Hauptproblem wird jedoch sein, dass über die letzten Monate und Jahre die Verunsicherung bei den neuseeländischen Arbeitgebern extrem gestiegen ist. Diejenigen, welche sich an die Regulierungen gehalten haben, stehen dem neuen System seit Beginn kritisch gegenüber. „Auch die Tatsache, dass sie sich akkreditiert haben, hilft oft dem ausländischen Bewerber nicht, einen Job zu bekommen!“
Fakten und Aussichten
„Es ist nicht so einfach, wie die Greenliste oder Akkreditierungen vieler Firmen oft suggerieren. Wir bemerken schon momentan, dass es für einige unserer Kunden schwieriger ist, einen Job in Neuseeland zu finden. Wir haben hochqualifizierte Ingenieure, die keinen Arbeitgeber finden, der sie anstellen will im Augenblick. Allerdings sitzen sie auch oft noch in Deutschland und bewerben sich, ohne hier vor Ort zu sein. Auf der anderen Seite hat einer unserer Kunden, der Tischler ist, binnen kürzester Zeit gleich drei Stellenangebote gehabt. Und das, ohne jemals einen Fuß in Neuseeland auf den Boden gesetzt zu haben,“ berichtet der Immigrationsberater aus seinem Alltag.
Eine weitere negative Auswirkung könnte sein, dass auch korrekte Anträge erst einmal abgelehnt werden aufgrund der Verschärfungen. „Aber das ist dann wirklich eine Frage des Managements, sie durchzubekommen“, beruhigt Peter Hahn. Insgesamt wird es wohl noch komplizierter, und die vielen Ausnahmen und Sonderregelungen zu verstehen, ist für den Laien oft nicht ganz einfach.
„Wir behalten die Entwicklungen genau im Auge und stehen natürlich unseren Kunden und allen Neuseelandinteressierten als Brücke zur Behörde weiterhin mit Rat und Erfahrung zur Seite!“