Was kommt auf Jobsuchende in Zukunft zu?
Accredited Employer Work Visa & Pathway to Residence
Anfang Mai gingen die Grenzen Neuseelands nach über zwei Jahren wieder auf und auch, wenn jetzt noch nicht alle internationalen Neuseelandtouristen ins Land dürfen, sieht es für interessierte Deutsche, die in Aotearoa arbeiten oder reisen wollen, wieder gut aus. Diese dürfen sogar ohne Quarantäne und Selbstisolation einreisen. Wer bereits ein Visum besitzt, in Australien lebt oder Permanent Resident ist, kann jetzt sogar ohne Covid-Impfung nach Neuseeland kommen.
Auch neuseeländische Firmen atmen auf, denn nun haben sie wieder die Möglichkeit, international nach geeigneten Fachkräften für ihr Business zu suchen. Allerdings gibt es einige Hürden, angefangen bei der völlig unterbesetzten Einwanderungsbehörde. Immigrationsberater Peter Hahn schildert die Lage vor Ort und berät deutsch- und englischsprachige Kunden beispielsweise bei ihren Visa Anträgen – denn derzeit ändern sich einige Richtlinien. Das Essential Skills Work Visa wird nun durch das Accredited Employer Work Visa ersetzt.
Vor der Grenzschließung waren fünf Prozent aller Arbeitskräfte in Neuseeland temporäre ausländische Arbeiter, zeigen die Statistiken. „Diese Zahl ist im internationalen Vergleich relativ hoch“, erklärt Prof. Spoonley von der Massey University. „In Australien sind es gerade einmal drei Prozent und in anderen Ländern noch deutlich weniger.“ Ganz wichtig sei, dass die internationalen Fachkräfte nicht ausgebeutet würden, angemessene Bezahlung erhalten und bei ihnen keine falschen Hoffnungen geschürt würden, wenn es um ein mögliches lebenslanges Bleiberecht in Neuseeland gehe, nach ihrem Arbeitsvisum. Um das zu gewährleisten hat die Labour Regierung das Accredited Employer Work Visa ins Leben gerufen.
Überall händeringend Personal gesucht
Die Schlagzeilen sind täglich voll von verzweifelten neuseeländischen Firmen, die kein Personal finden. Egal ob Pflegekräfte in den Altenheimen, Gerüstbauer, Ingenieure, IT-Fachkräfte für die aufstrebende Gaming-Industrie im Land oder spezielle Arbeiter für die Bootsindustrie, wie beispielsweise Elektroingenieure. „Wir haben so viele Aufträge aber keine Arbeitskräfte, welche die Jobs übernehmen können. Das kostet uns Millionen“, erklärt beispielsweise die Firma Hamilton Jets aus Christchurch, die Jetboats bauen und ausliefern. Der größte Fachkräftemangel herrscht derzeit in Canterbury, wo die Anzahl der Stellenanzeigen um 39 Prozent gestiegen ist. „Dieser hohe Bedarf an gut ausgebildetem Personal ist natürlich eine gute Voraussetzung auch für deutsche hochqualifizierte Arbeitskräfte, die daran denken, beruflich nach Neuseeland zu gehen“, erklärt der Einwanderungsberater Peter Hahn aus Wellington und baut auf seine mittlerweile über 25 Jahre lange Berufserfahrung.
Engpass Immigrationsbehörde
Jetzt, wo endlich wieder Bewegung in den Arbeitsmarkt kommen könnte, und die dringend gesuchten ausländischen Fachkräfte angestellt werden könnten, gibt es jedoch einen personellen Engpass bei der neuseeländischen Einwanderungsbehörde INZ. Sie müssen derzeit trotz neuer Angestellter immer noch mit 20 Prozent weniger Personal auskommen als vor der Pandemie. Während drei Niederlassungen im Ausland geschlossen wurden, hat nur eine neue Filiale in Christchurch eröffnet. Somit ist derzeit keine schnelle Bearbeitung von Anträgen möglich und die Einreise vieler Antragsteller verzögert sich. „Immigration New Zealand bildet zwar gerade unter Hochdruck Personal aus und stellt weitere Mitarbeiter ein, dennoch können derzeit zwei Drittel weniger Anträge bearbeitet werden als vor Covid19“, berichtet auch Peter Hahn. „Doch das ist nicht die einzige Hürde derzeit. Antragsteller müssen auch berücksichtigen, dass nun das schon lange bestehende Essential Skills Work Visa ab Juli 2022 durch das AEWV, das Accredited Employer Work Visa ersetzt wird.
AEWV – Details bekanntgegeben
„Momentan müssen wir wirklich ganz Einzelfall-bezogen beraten. Seit ein paar Tagen sind jedoch die neuen Regeln herausgekommen, wie das Accredited Employer Work Visa für Arbeitgeber und ausländische Arbeitnehmer funktionieren soll“, erklärt Peter Hahn die Fakten. Der Einwanderungsberater kann beispielsweise ausländische Gerüstbauer, die hier für eine Firma in Porirua arbeiten könnten, ins Land bringen. „Ganz wichtig ist jedoch, dass wir hier über ein Work Visa, also ein dreijähriges Arbeitsvisum reden und nicht über eine Einwanderung!“, betont der Immigrationsberater. Und wie genau das neue Accredited Employer Work Visa aussieht, verdeutlichen die gerade veröffentlichten Details.
„Zunächst gab es viel Gerede um den Akkreditierungsprozess des neuseeländischen Arbeitgebers. Das ist jedoch in meinen Augen keine große Hürde, sofern der Unternehmer hier noch nicht bei der Einwanderungsbehörde negativ aufgefallen ist oder in finanziellen Schwierigkeiten steckt. Das ist dann reine Formsache“, weiß Peter Hahn. Doch was muss nun der ausländische Arbeitnehmer, also der ausländische Antragsteller des Arbeitsvisums nachweisen? „Bislang war es bei Essential Skills Work Visa so, dass man je nach Berufsgruppe glaubhaft machen musste, dass man ‚suitably qualified‘ für den Job ist. Daran geknüpft waren unter anderem der Nachweis einer bestimmten Ausbildung und bestimmte Jahre Berufserfahrung.“
Komplexeres Prozedere
„Wer glaubt, dass es reicht, ein Joboffer eines Accredited Employers aus Neuseeland zu bekommen, um ein Work Visa zu erhalten, liegt da leider falsch. Das Prozedere, wie der Nachweis von beiden Seiten vonstattenzugehen hat, ist deutlich komplexer geworden als vorher und birgt einige Stolpersteine“, warnt Peter Hahn vor überschnellen Aktionen. „So ein Antrag muss von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite gut gemanagt werden und man muss dabei sehr genau arbeiten, denn es gibt nun deutlich mehr Fehlerquellen als bislang.“
Dabei muss der Arbeitgeber erst einmal nachweisen, dass er in Neuseeland keinen geeigneten Bewerber finden konnte. Die entsprechende Stellenanzeige muss jedoch schon sehr detailliert und nach genauen Vorgaben verfasst sein, sonst kommt es später zu Schwierigkeiten. Es ist genau vorgeschrieben, was in der Anzeige stehen muss. Dazu gehören beispielsweise, der spätere Verdienst, Vertragsdetails, Arbeitsbedingungen oder welche Qualifikation ein Kandidat haben muss. „Bei letzterem kann sich der Arbeitgeber leicht selbst ein Bein stellen. Setzt er die Qualifikation sehr hoch an und erhält einen Bewerber, der dies nicht zu 100 Prozent erfüllen kann, darf er ihn nicht einstellen, obwohl sich vielleicht beide einig sind und der Arbeitgeber die Fachkraft gerne genommen hätte“, erklärt der Einwanderungsberater.
„Im Prinzip werden ähnliche Mechanismen benutzt wie bislang, aber das bedeutet insgesamt nicht, dass so eine Beantragung eines Arbeitsvisums in der neuen Kategorie nun viel schwieriger geworden ist, nur ein bisschen komplizierter eben“, resümiert Peter Hahn die neuen Anforderungen bei der Beantragung eines Arbeitsvisums.
Pathway to Residence – Vom Work Visa zur dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung
Was die Regierung ganz kurzfristig veröffentlich hat, sind die künftigen Möglichkeiten des sogenannten ‚Pathway to Residence‘, also der Weg vom Work Visa zur uneingeschränkten Aufenthaltserlaubnis zu gelangen. Bislang war noch nicht klar, ob es das Verfahren künftig überhaupt noch geben wird. Jetzt ist es entschieden. „Es gibt da mehrere Wege in Zukunft, je nachdem, in welchem Beruf man arbeitet und was man dann beispielsweise verdient“, erklärt Peter Hahn die neusten Ankündigungen. „Zum einen wird es einen sogenannten Fast Track geben für bestimmte Berufe, die auf einer erschienenen Green List stehen. Dazu gehören beispielsweise Ärzte, Ingenieure oder einige hochqualifizierte Berufe im Baugewerbe“, so der Einwanderungsberater. Diese hochbezahlten Facharbeitskräfte können diesen schnellen Weg zur Residency bereits ab September 2022 bestreiten. Gleiches gilt für Berufe, die nicht auf der Liste stehen, aber mit mindestens dem zweifachen Median-Gehalt bezahlt werden (circa 116.000 NZD Jahresgehalt).
„Der zweite Weg, über ein Arbeitsvisum später die Residency beantragen zu können, gilt für viele weitere Berufe, die auf der Green List stehen. Allerdings wird es in diesen Jobs so sein, dass man sich während der zwei Jahre Work Visum an einen Arbeitgeber binden muss“, weiß Peter Hahn. „Zu diesen Berufen gehören beispielsweise registrierte Krankenschwestern und Pflegekräfte, Dieselmotor-Mechaniker, zertifizierte Elektriker, Klempner oder Autoelektriker“, berichtet Peter Hahn. „Ein weiterer Nachteil dieser zweiten Liste ist allerdings, dass der Partner des Visumhalters jetzt nicht mehr automatisch auch ein offenes Arbeitsvisum bekommt, sondern nur noch ein Besuchervisum. Wenn der Partner oder die Partnerin arbeiten will, muss ein eigenständiges Work Visa Verfahren auf der Basis eines Arbeitsangebots bei einem akkreditierten Arbeitgeber betrieben werden“, gibt der Einwanderungsberater zu bedenken. „Vor allem Krankenschwestern und Pflegekräfte fühlen sich durch diese Benachteiligungen gegenüber Ärzten zurückgesetzt.“
Zukunftsaussichten für andere Berufe
Für Arbeitskräfte in anderen Berufen ist es nach derzeitigem Stand noch unklar, ob es nach den drei Jahren Arbeitsvisum einen Weg geben wird, die Residency zu beantragen. „Das betrifft zum Beispiel Tischler oder den Beruf des Zimmermann, also im Klartext alle Jobs, die nicht auf der Green List stehen“, verrät Peter Hahn. „Im September soll entschieden werden, wie es mit der sogenannten Skilled Migrant Category weitergehen wird, da könnte sich dann auch für diese Fachkräfte eine Möglichkeit auftun, nicht nur das Arbeitsrecht, sondern auch ein dauerhaftes Bleiberecht für Neuseeland zu bekommen.“
Die Regierung lobt die neuen Regulierungen als Vereinfachungen und unkompliziertere Handhabe für neuseeländische Arbeitgeber auf der Suche nach geeignetem ausländischem Personal. Der langjährige Einwanderungsberater Peter Hahn ist da anderer Meinung: „Das stimmt so wirklich nicht. Es gibt ein paar Privilegierte auf der Green List im Fast Track, für die es vielleicht künftig ein wenig schneller gehen könnte, die Residency zu bekommen. Aber diese Kunden habe ich schon immer schnell nach Neuseeland gebracht, ihnen ein Work Visa und drei Monate später die Residency beschafft. Meiner Meinung nach wird es für das Gros der Bewerber, wie auch für viele neuseeländische Arbeitgeber mit dem neuen Prozedere keineswegs leichter.“
Peter Hahn behält die Lage für seine Kunden weiterhin genau im Auge, denn nahezu täglich werden neue Regulierungen und Feinheiten der sogenannten Immigration Rebalance bekanntgegeben.