Neue temporäre Arbeitsvisa für einzelne Sektoren
Neuseelands Arbeitsmarkt ist wie leergefegt. In unzähligen Bereichen gibt es einfach kein Personal. Durch die Unzufriedenheit der Firmen und den Druck auf die Wirtschaft, musste die Politik nun reagieren. „Man spricht monatelang von Immigration Rebalance, alles stärker zu regulieren und nur noch highly skilled Arbeiter ins Land zu lassen. Dabei hat man jedoch komplett vergessen, dass es viele Sektoren gibt, die dabei durch das Raster fallen“, erklärt der langjährige Einwanderungsberater Peter Hahn. Nun rudert die Labour Regierung zurück und beginnt Ausnahmeregelungen zu schaffen. Für einige Sektoren, wie im Baubereich oder für Berufe im Gesundheitswesen eröffnen sich dadurch neue Möglichkeiten für Arbeitsvisa, Working Holiday Visa und zum Teil sogar zur Einwanderung.
Mindestens 30.000 Stellen sollen auf dem neuseeländischen Arbeitsmarkt gefüllt werden, doch die Einwanderungsbehörde kommt mit der Bearbeitung nicht hinterher. Drei von fünf der neu etablierten Accredited Employer Work Visa (AEVW) sind nicht, wie versprochen, innerhalb der 10-Tages-Frist bearbeitet worden. Bugs in der Bearbeitungssoftware der Residence Visa Bewerber auf der Internetseite der Behörde verhindern zudem die Abgabe der nötigen medizinischen Gesundheitsnachweise. Die Inflationsrate steigt und der Druck auf den Arbeitsmarkt wird durch den großen Personalmangel in unzähligen Bereichen immer größer. Zugleich zeigt die Netto-Migration, also die Zuwanderungszahlen abzüglich der Abwanderungen ein deutliches Minus von 11.500 Personen. „Der neuseeländischen Regierung blieb fast keine andere Wahl, als von ihrem ursprünglichen strikten Kurs abzuweichen“, erklärt Peter Hahn diese Kehrtwende in der Einwanderungspolitik. Anstelle nur noch hochqualifizierte Arbeiter mit einem hohen Stundenlohn ins Land zu lassen, wurde nun eine temporäre Ausnahmeregelung für einige Sektoren geschaffen, die sogenannten Sector Agreements.
Sector Agreements – Accredited Employer Work Visa mit Sonderregelungen
Um nun einigen Berufssparten bei der Jobbesetzung zu helfen, hat die Regierung einige Ausnahmeregelungen geschaffen, welche es ausländischen Bewerbern in bestimmten Sektoren ermöglicht, auch mit weniger Gehalt als dem sogenannten Medianstundenlohn von 27 NZD angestellt werden zu können. Zudem wird es gesonderte Bedingungen für Working Holiday Visa geben. Gültig werden sollen diese Sector Agreements ab dem 31. Oktober 2022 für bestimmte Berufe im Pflegebereich, im Baugewerbe und zum Ausbau der Infrastrukturen, in der Fleischindustrie, im Fischereigewerbe, sowie im Winter- und Abenteuertourismus. Erarbeitet wurden die Anforderungen und die Auswahl der Sektoren gemeinsam mit Gewerkschaften, Regierungsagenturen und Vertretern aus den unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen. Angepasst wurden unter anderem der jeweils erforderliche Mindestlohn, die Zeitspanne, für welche die Ausnahmeregelungen gelten sollen und die spezifischen Berufe, die nun unter den Sector Agreements bevorzugt behandelt werden.
Nur eine temporäre Eintrittskarte
In fast allen Sektoren dieser Ausnahmeregelungen gilt, die Bewerber bekommen unter bestimmten Voraussetzungen ein Accredited Employer Work Visa für zwei Jahre. Im Anschluss daran gilt eine Stand-down-Zeit von zwölf Monaten. Sie können so für ein Jahr kein weiteres Visum unter diesen Konditionen in diesem Bereich einreichen, es sei denn der Arbeitgeber ist bereit, ein höheres Gehalt zu zahlen. „Natürlich ist damit auch im Normalfall ein Pathway zur Residency, zur uneingeschränkten Aufenthaltserlaubnis, ausgeschlossen“, weiß der Immigrationsberater. „Im Klartext, man rekrutiert hier Gastarbeiter auf Zeit, die erst einmal keine weiteren Ansprüche stellen können.“ Im Baugewerbe wird es genau so sein, dafür ist die Anzahl der Visa unbeschränkt. Mit einem niedrigeren Stundenlohn als dem sonst geforderten Mediangehalts von 27 NZD pro Stunde, kann man hier den Visaantrag bereits stellen, wenn man 25 NZD pro Stunde verdient. Zum Baugewerbe gehören auch nur ganz bestimmte, im Sector Agreement aufgelistete Berufe, wie beispielsweise, der Maurer, Dachdecker, Badinstallateur oder Maler. Auch für die Fleisch verarbeitende Industrie und das Fischereiwesen gibt es dementsprechende Spezifikationen. Alle Details sind auf einem Factsheet der Einwanderungsbehörde zusammengefasst.
Saisonale Arbeitskräfte im Winter- und Abenteuertourismus
In der Tourismusindustrie gibt es ebenso Sonderregelungen. Hier gelten die Visa nur für 7 Monate, also eine Wintersaison. Allerdings können im Anschluss, um beispielsweise vom Winter- zum Abenteuertourismus im Sommer zu wechseln, mehrere Accredited Employer Work Visa in dieser Sparte nacheinander beantragt werden. „Das besondere ist auch, das Sector Agreement gilt hier bis Februar 2025, und nicht nur, wie für die anderen Bereiche, zwei Jahre bis Oktober 2024“, bemerkt Peter Hahn. Allerdings steigt hier der geforderte Mindestlohn über die Monate. Zunächst reicht es bei der Beantragung eines Visums im Oktober 2022, 25 NZD Stundenlohn zu verdienen, die Mindestforderung wird dann allerdings gestaffelt stetig angehoben und beträgt dann ab Februar 2025 das volle Mediangehalt.
Sonderstatus Working Holiday Visa
Innerhalb der Verkündigung der Sector Agreements, wurden auch für die Working Holiday Visa-Halter einige Ausnahmen geschaffen. „Gerade die jungen reisenden Leute aus vielen Ländern helfen oft saisonal in der Tourismusindustrie, dem Gastrobereich und der Landwirtschaft aus“, weiß der Immigrationsberater. „Viele Weltenbummler bis zum vollendeten 30. Lebensjahr können sich für diese Art von Visa bewerben und helfen so neuseeländischen Firmen, Lücken temporär zu füllen.“ Die Ausnahmeregelung besagt, dass bereits im Land lebende Working Holiday Arbeiter, deren Visum zwischen 26. August 2022 und 31. Mai 2023 auslaufen, ihr Visum von normalerweise einem Jahr, um ein halbes Jahr verlängern können. „Zudem haben Visa-Halter, die sich noch nicht in Neuseeland aufhalten, mehr Zeit, um ihr Visum anzutreten und die Gesamtzahl der zu vergebenden Working Holiday Visa wird verdoppelt“, berichtet Peter Hahn. „Das kann jungen Menschen, die noch ein bisschen mehr Zeit hier in Neuseeland verbringen wollen, auf jeden Fall unkompliziert weiterhelfen.“ Ein Working Holiday Visum ist zudem eine offene Arbeitserlaubnis, so dass weder ein Mindeststundenlohn gefordert ist, noch die Bindung an einen bestimmten Arbeitgeber oder Berufssektor besteht.
Echte Chance für Arbeiter im Pflegesektor
Besonders gut sieht es für den Gesundheitsbereich aus, insbesondere für den Pflegesektor. Hier wird die Ausnahmeregelung auch zunächst für 2 Jahre gelten, die Anzahl der Visa ist unbeschränkt. „Wer 26,16 NZD Stundenlohn erhält, kann hier ein AEWV beantragen“, so Peter Hahn. Besonders kritisch ist die Lage derzeit in der Altenpflege. Viele Heime scheinen kurz vor der Schließung zu stehen, weil ihnen das nötige Personal fehlt. „Interessant hier ist jedoch, dass dieser Berufssektor bald auf die Greenlist aufgenommen werden soll. Das ist bislang in der Einwanderungsgeschichte neu“, erklärt der Immigrationsberater. „Im Klartest heißt das, wer in der Kranken- und Altenpflege arbeitet, bekommt durch das Sector Agreement nicht nur ein Arbeitsvisum, sondern kann später darauf auch eine Einwanderung aufbauen – also den Pathway to Residency nutzen. Bislang gab es für Pfleger ohne Nursing Council Registration keine Möglichkeit ein Resident Visa zu erhalten“, so Peter Hahn erfreut. „Da ist man also nicht nur ein Lückenfüller, sondern kann diese Chance als echtes Sprungbrett zur Einwanderung nutzen!“ Derzeit hat der Einwanderungsberater bereits eine Kundin, die zwar ausgebildete Krankenschwester ist, jedoch den für die Nursing Council Registration erforderlichen Englischtest noch nicht besteht. Da sie in Deutschland ohnehin in der Altenpflege arbeitet und sogar ein Heim gemanagt hat, ist dieser Weg für sie eine klare Eintrittskarte nach Neuseeland. „Man beantragt also ein Accredited Employer Work Visa und arbeitet zunächst zwei Jahre lang in der Altenpflege hier. Dabei kann natürlich das Englisch im Alltag gut geübt werden. Anschließend kann man dann die Residency beantragen, so das ideale Szenario.“ Jobangebote gibt es in der Alten- und Krankenpflege in Neuseeland mehr als genug. „Was man allerdings wissen muss, die meisten Bewerber kommen nicht wegen der Jobkonditionen nach Neuseeland, denn die sind in Australien, Amerika und in Deutschland deutlich besser. Die Menschen kommen her, weil sie gerne in Neuseeland leben wollen!“, unterstreicht Peter Hahn.
Interessant könnte dieser Umweg über den Pflegesektor auch für deutschsprachige Krankenschwestern sein, die noch keine Zulassung beim Nursing Council bekommen haben. „Wer sich nicht zu schade ist, für zwei Jahre im Pflegebereich zu arbeiten, hat gute Chancen auch mit Englischkenntnissen, die unterhalb des für die Nursing Council Zulassung nötigen Niveaus liegen, hier in Neuseeland dauerhaft Fuß zu fassen“, betont der Neuseeland-Experte.
Momentan ist es nur eine Ankündigung, den Beruf der Pflegekraft auf die Greenlist zu setzen. Weitere Details sollen im Oktober veröffentlicht werden.