Gibt es eine offizielle Überprüfung?
Immigration nach Neuseeland in 2020
Stand 4. Februar 2020
Die Ausbeutung von ausländischen Arbeitern, extreme Verzögerungen bei der Bearbeitung von Visa-Anträgen und dadurch entstehende Anhäufungen von unbearbeiteten Anträgen könnten in 2020 nicht ganz unbedeutend für die anstehenden Parlamentswahlen in Neuseeland sein. Die hiesige Wirtschaft leidet unter den erschwerten Bedingungen, kann dringend benötigte ausländische Fachkräfte oft nur schwer oder viel zu spät anstellen. Immer häufiger sehen sich potenzielle Immigranten nach Auswanderungsalternativen um. Aufgrund der allgemeinen Unzufriedenheit auf vielen Seiten, könnte es jetzt sogar zu einer offiziellen Überprüfung der Arbeit der neuseeländischen Immigrationsbehörde, zu einer sogenannten ‚review‘, kommen.
Bei Resident Visa hat die Labour Regierung bislang kaum Änderungen vorgenommen. Allerdings wurde die jährliche Gesamtquote leicht reduziert, so dass es durch die ohnehin strikten Einwanderungsbestimmungen und derzeit hohe Anforderungen im Punktesystem, für einige Bewerber immer schwieriger wird, nach Neuseeland einzuwandern. Die Immigrationszahlen sind deshalb seit 2018 deutlich zurückgegangen und auf einem Tiefpunkt angelangt. „Dennoch will die Regierung in 2020 weitere Reduzierungen vornehmen. Derzeit ist von einer Quote für Partnerschaftsvisa die Rede“, weiß der langjährige Einwanderungsberater Peter Hahn aus Wellington. „Das würde dann bedeuten, dass pro Jahr nur noch eine bestimmte Anzahl von Anträgen mittels dieser Kategorie einwandern könnte. Dies könnte dann für größeren Unmut sorgen, wenn Lebenspartner bei bereits gefüllter Quote dann erst einmal nicht mehr mit nach Neuseeland einwandern können!“
Viele Änderungen stehen in 2020 jedoch vor allem innerhalb der Work Visa Vergabe an. Statt sechs verschiedenen Kategorien, soll es dann nur noch ein temporäres Arbeitsvisum geben. Entgegen aller offiziellen Erwartungen ist nun die Flut der Anträge dennoch deutlich in die Höhe geschossen. „In meinen Augen ist das ganz klar ein Indiz dafür, dass hier in Neuseeland Leute gebraucht werden“, erklärt Peter Hahn. „Es gilt nach wie vor, hier den Bedarf an Fachpersonal auch mit Hilfe ausländischer Arbeitskräfte zu decken. Labour will die Zahlen jedoch deutlich zurückschrauben und möchte, dass erst einmal mehr Neuseeländer in diesen Bereichen ausgebildet werden. Man muss allerdings auch ganz klar feststellen, dass es einfach wie in allen westlichen Ländern Jobs gibt, die eben kein Neuseeländer mehr machen möchte – Farmarbeit, Obstplantagen-Jobs oder Altenpflege. Das ist in Deutschland ja in vielen Bereichen auch nicht anders.“
Bei Änderungen im Bereich Work Visa möchte die Labour Regierung nun nicht nur bestimmte regionale Veränderungen vornehmen, sondern eventuell auch ganze Sektoren als Sonderfälle behandeln. So könnten dann beispielsweise landwirtschaftliche Hilfskräfte oder Altenpfleger künftig leichter ein temporäres Arbeitsvisum bekommen. Diese einfachen Arbeiter hätten dann jedoch keine langfristige Perspektive, in Neuseeland bleiben zu können. „In meinen Augen passt das nicht so ganz mit dem Grundsatz zusammen, dass ja Auswanderer durch die neuen Richtlinien weniger ausgebeutet werden sollen“, kommentiert Peter Hahn diesen Ansatz stirnrunzelnd.
„Grundsätzlich kann man sagen, dass auch dieses Jahr wieder sowohl bei der Vergabe von Arbeitsvisa wie auch beim Antrag von Resident Visa hochwertige Auswanderer bevorzugt werden sollen.
Inzwischen spitzt sich das Chaos bei der Bearbeitung von Anträgen weiter zu. Alleine 37.000 Residence Verfahren warten derzeit auf Bearbeitung. Kritische Stimmen bemängeln, dass durch die Schließung von 13, der bestandenen 18 Büros von Immigration New Zealand, das Chaos immer größer wurde. „Die Massen-Schließung war Bestandteil der sogenannten ‚Vision 2015‘, zu dem vor allem das Digitalisierungsprogramm der Regierung zählte“, erklärt der Einwanderungsberater. „Für viele Antragsteller begann jedoch genau damit der Spießrutenlauf mit den Behörden und die großen Verzögerungen bei der Bearbeitung von Anträgen.“ Inkompetente Sachbearbeiter und häufiger Personalwechsel seien ein Problem. Auch die Arbeitgeber aus der neuseeländischen Wirtschaft klagen. Zum Beispiel in der Bau- und der IT-Branche können Arbeiten nicht mehr zeitgerecht ausgeführt werden. Es fehle schlichtweg an Personal. Die Vorwürfe nehmen zu, die Kritik an der Ineffektivität der Einwanderungsbehörde wird immer größer und damit auch der Wunsch, nach einer Überprüfung durch das ‚Auditor Office‘. Dies ist ein von der Exekutive unabhängiges Büro, welches dem Parlament Rechenschaft schuldig ist und die Effektivität und erzielten Ergebnisse der Arbeit einzelner Regierungsbereiche untersuchen kann.
Gründe gäbe es mittlerweile für so ein ‚Review‘ der Arbeit der neuseeländischen Einwanderungsbehörde wohl genügend. Offizielle Stimmen geben jedoch zu bedenken, ob der riesige Aufwand auch sinnvoll sei. „Letztendlich ist die Untersuchung von unter Umständen unfairen Behandlungen ausländischer Einwanderer nicht so wichtig wie andere Probleme, die direkt die Rechte von Neuseeländern betreffen.“, resümiert Peter Hahn die Debatte. Spätestens bei den nächsten Parlamentswahlen wird sich zeigen, welche Ausmaße das Thema Immigration in den Wahlprogrammen annimmt und wie die Bevölkerung sich letztendlich bei ihrer Stimmvergabe entscheidet.